Polen, die baltischen Staaten, Litauen, Lettland und Estland waren Regionen in Europa, die für mich ein weißer Fleck auf der Landkarte bedeuteten, wie sich herausstellte völlig zu unrecht.

Als Pilot suche ich immer neue Regionen und Reiseziel, die mir noch nicht bekannt sind. Klar ist, ein Ausflug nach Kroatien oder Italien ist immer sehr schön und das Mittelmeer traumhaft zum baden. Allerdings hatte auch die Ostsee und die Länder, die sich darum herum gruppieren, viele für mich bisher unbekannte Reize. Wie immer gab es einen Auslöser für die Reise in die Region. Meiner war, nette Leute aus St. Petersburg kennen gelernt zu haben und so wollte ich unbedingt die erst circa 300 Jahre alte Stadt in Russland besuchen.

Die Planung versprach Strecken zwischen zwei und drei Stunden Flugzeiten, was für eine Tagesplanung durchaus noch Spielraum für eine Stadtbesichtigung und etwas gemütliches Urlaubsfeeling außerhalb der Fliegerei offen hält. Die ursprüngliche Flugplanung sah letztendlich vor, die meisten „Hauptstädte der Ostsee Anrainerstaaten“ zu besuchen. Die größte Herausforderung war hierbei der russische Luftraum bei Kaliningrad und St. Petersburg. Nachdem ich wenig Motivation auf den russischen Papierkrieg für den Ein- bzw. Durchflug verspürte, umflogen wir die Kaliningrad Enklave und reisten nach St. Petersburg von Helsinki aus mit dem Zug.

Am Abflugtag traf ich zwei Vereinskollegen am Flugplatz. Die eine Maschine plante nach Venedig übers Wochenende zu fliegen, das zweite Flugzeug hatte als Flugziel die Insel Brac in Kroatien. Wir wollten als ersten Stopp Bornholm ansteuern, eine dänische Insel in der Ostsee. Allerdings zeigte das Wetterradarbild über Bornholm starke Gewitter und Regenwolken. Wetter welches ich mit einem kleinen einmotorigen Flugzeug vermeide. Weiter östlich waren die Wetterprognosen deutlich freundlicher. Auf der Flugstrecke nach Danzig zeigten sich nur vereinzelt Quellwolken und blauer Himmel. Nachdem wir, wie meistens auf solchen Flugreisen die Unterkünfte erst nach der finalen Flugwetterentscheidung buchten, war es kein Problem den Ostseerundflug mit Danzig zu starten.

Danzig präsentierte sich uns als eine schöne alte Hansestadt mit viel interessanter Architektur. Danzig scheint bei Touristen von Kreuzfahrtschiffen ebenfalls auf große Beliebtheit zu stoßen. Die Altstadt war stark frequentiert.

Von Danzig flogen wir nach einer Nacht südlich um Kaliningrad weiter nach Palanga. Auf einen Zwischenstopp in Vilnius verzichteten wir. Es sollten noch genügend Städte zur Besichtigung auf unserer Flugroute liegen. Von dort machten wir einen Ausflug auf die Kurische Nehrung, die für riesige Sanddünen und kilometerlange Sandstrände bekannt ist.

Nach zwei Tagen in Litauen flogen wir in einer guten Stunde weiter nach Riga, der Hauptstadt von Lettland. Dort landeten wir nicht auf dem internationalen Flughafen, sondern auf dem sehr GAT freundlichen kleinen Platz Spilville. Spilville war vor Jahren noch der einzige Flugplatz von Riga.

Die lettische Stadt Riga hat einige nette barocke Bauten und viel Flair zu bieten. Die vielen Restaurants und Straßenkaffees erinnerten uns an einige italienische Städte. Durch die sommerlichen Temperaturen war das Flair auf alle Fälle sehr südländisch, die Preise allerdings deutlich günstiger.

Von Riga flogen wir in gut eineinhalb Stunden nach Tallinn, der Hauptstadt von Estland. Vom Flughafen fuhren wir mit unseren Klappfahrräder ins historische Stadtzentrum, das sich sehr charmant präsentierte. Man merkte deutlich,dass man sich hier auf Touristen eingestellt hat. Die Preise waren entsprechend hoch. Die Stadt erinnert mit ihren hübschen Bürgerhäusern, und vielen Türmen etwas an Nürnberg. Von der Altstadt, die zum Teil auf einem kleinen Hügel liegt, hat man schöne Aussichten auf das Meer, den Hafen mit vielen Kreuzfahrtschiffen und auf der anderen Seite auf das moderne Tallinn mit einigen Hochhäusern, die wie in Frankfurt von Banken genutzt werden. Unser Hotel direkt am Stadtrand war ideal für die Stadtbesichtigung gelegen und hatte aus der siebten Etage einen netten Blick auf das alte Tallinn.

Von Tallinn hatten wir einen traumhaft schönen Flug nach Helsinki. Dort flogen wir Malmi an. Der Flugplatz hat sich voll auf die allgemeine Luftfahrt eingestellt. Zufällig war an diesem Wochenende eine Flugshow mit vielen Ausstellern. Dort landeten wir am Freitag und bekamen die ersten Übungsflüge der Flying Bulls und anderer neuer und historischer Luftfahrzeuge präsentiert. Helsinki als Stadt konnte uns nicht fesseln und so fuhren wir am nächsten Morgen in der Früh mit dem Zug nach St. Petersburg. Die Pass- und Gepäckkontrollen im Zug gaben uns einen kleinen Einblick in die russische Bürokratie. Vermutlich können wir uns nicht im entferntesten vorstellen, was die Einreise und Ausreise mit dem eigenen Flugzeug bürokratisch und kostenmäßig bedeutet hätte.

St. Petersburg als Stadt zog uns vier volle Tage in den Bann. Was eine relativ junge Stadt mit einer nur 300 jährigen Stadtgeschichte an Kulturgüter hat, die überwiegend in der Zarenzeit angesammelt und errichtet wurden ist fantastisch. Alleine schon das Verkehrsmittel U-Bahn präsentiert in den Stationen kleine Paläste des Volkes, die wohl weltweit ihresgleichen suchen dürften. Am ersten Tag flanierten wir im Stadtzentrum und schauten uns die Peter- und Paulsfestung und die Erlöserkathedrale an, die unverkennbar als Vorbild die orthodoxe Kirche am Moskauer Roten Platz hat. Am zweiten Tag in St. Petersburg war das Zarendorf mit dem Katharinenschloss auf dem Programm. Dort sieht man eine perfekte Kopie des bisher verschollenen Bernsteinzimmers. Am dritten Tag staunten wir, welche Prachtbrunnen im Peterhof sprudeln. Um all die Sehenswürdigkeiten sieht man auch eine extrem schnell wachsende Großstadt mit den hässlichen Seiten, wie Wohngebiete mit vielen Hochhäusern.

Die Rückfahrt von St. Petersburg nach Helsinki war unspektakulär. Dafür bot der Flug von Helsinki nach Gotland um so spektakulärere Aussichten auf die Altstadt von Stockholm und das Meer mit der abwechslungsreichen Schärenlandschaft und tausenden kleinen Inseln.

Gotland, die größte Insel in der Ostsee, bot für uns nach vielen Städten erstmals ein tolles Landschaftserlebnis. Zur Begrüßung auf Gotland wurden wir vom schwedischen Zoll kontrolliert. Wir wurde zu unserem Erstaunen gefragt, ob wir etwas zu deklarieren hätten, was nicht der Fall war. Die Beamten erzählten, dass sie normalerweise Schiffe auf der Ostsee kontrollieren und jetzt eine Woche zur Abwechslung hier Flugzeuge kontrollieren dürfen. Die Beamten hatten offensichtlich Spaß bei ihrer Arbeit und sparten auch nicht mit Bewunderung für unser Flugzeug. Der Controller auf dem Tower erzählte ihnen wohl, dass wir eine respektable Reisegeschwindigkeit hätten. Nachdem wir hier planten, mit unseren Klappfahrrädern und dem Zelt die Insel zu Erkunden, mussten die meisten Sachen ohnehin aus dem Flieger, so war die Kontrolle ein willkommener Anlass, sinnvoll umzupacken und nur das Nötigste mitzunehmen.

Die größte Stadt auf Gotland, Visby ist ein kleines Städtchen mit viel mittelalterlichem Flair, das unbedingt ein Besuch wert ist. Hier findet jedes Jahr im Juli ein entsprechendes Festival statt. Von Visby aus machten wir eine ca. 80 km lange traumhafte Radtor an der Küste entlang. Auf halber Stecke besichtigten wir schöne von der Natur geschaffene freistehende Felsmonolithen. Der Vergleich zu Stonehenge in England darf durchaus gemacht werden, ein toller, sehr mystischer Ort. Am Ende der Radtour waren wir ziemlich geschafft und froh, einen für Piloten absolut würdigen Schlafplatz neben einer alten Antonow An-2 gefunden zu haben.

An der Spitze von Gotland gibt es ein mittlerweile nur noch privat genutztes Flugfeld. Am nächsten Tag setzten wir mit der kostenlosen Inselfähre nach Farö über, eine kleine Gotland vorgelagerte Insel mit traumhaften Sandstränden und noch mehreren direkt am Meer stehender Felsmonolithen.

Nach vier sehr schönen Tagen auf Gotland planten wir den Weiterflug nach Bornholm. Die dänische Insel ist landwirtschaftlich geprägt und hat im Südteil traumhafte Sandstrände. Allerdings war das Wetter und die Prognosen erstmals auf unserer Tour nicht mehr im komfortablem Badetemperaturbereich. So entschlossen wir uns nach einer Nacht und einer schönen Radtour auf der Insel zum Zeltplatz mit dem Inselbus zurück zum Flughafen zu fahren und den Heimflug anzutreten. Am Rückflugtag hatten wir das erste Mal bei dieser Tour keine Charlie Bedingungen. Wir verschoben unseren Abflug um zwei Stunden, um ein größeres Regengebiet auf unserer Flugstrecke passieren zu lassen und flogen dann IFR on Top nach Hause.

Für die gesamte Strecke sind 17 Flugstunden zusammen gekommen und es hat sich jede Minute mehr als gelohnt. Wer Fragen zur Flugplanung hat oder Karten braucht, darf sich gerne bei mir melden. Wir waren von dem Ausflug mehr als begeistert.

 

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